Almosen, Greenwashing und jede Menge Weiter so: Deutschland bleibt Treiber der Klimakatastrophe.

BAG Klimagerechtigkeit

Erklärung der Bundesarbeitsgemeinschaft Klimagerechtigkeit zur Halbzeit des Klimagipfels COP27

Die Zeiten der hohen Erwartungen an die UN-Klimagipfel sind lang vorbei. Das Argument, dass sich die Antworten auf globale Herausforderungen nur auf internationaler Ebene finden lassen, bleibt zwar richtig. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschheit weitgehend ungebremst auf klimatische Extreme mit katastrophalen Folgen für Menschheit und Biosphäre zurast, während mehr als ein Vierteljahrhundert an Klimagipfeln daran nichts zu ändern vermochten.

Das Pariser Klimaabkommen von 2015 bildete im vergangenen Jahr immerhin die Grundlage für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 wegen seiner unzureichenden Emissionsminderungsziele als verfassungswidrig einzustufen. Ein grundlegender Kurswechsel wurde damit trotzdem nicht eingeleitet. Der Expertenrat für Klimafragen bescheinigte der Bundesrepublik und ihrer Ampel-Regierung erst vor wenigen Tagen ein klimapolitisches Scheitern auf ganzer Linie: ohne vervielfachte Anstrengungen werden die Klimaschutzziele für 2030 „weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren“ erreicht werden, heißt es in ihrem Zweijahresgutachten 2022.

 

Die Reichen zur Kasse bitten: Klimaschäden und Verluste angemessen finanzieren

Während die Ampel-Regierung mit dem völlig überdimensionierten Zubau von LNG-Infrastruktur auf Jahre und Jahrzehnte einen neuen Highway in die Heißzeit zementiert, wird die internationale Klimakonferenz zur Nebenbühne bilateraler Abkommen für den Aufkauf fossiler Ressourcen aus Ländern des globalen Südens. Neu erschlossene Gasfelder im Senegal, strategische Energiepartnerschaften, etwa zwischen der EU und Kasachstan, und Energielieferverträge über fossile Ressourcen die anderen Ländern den Hahn abdrehen – diese Art des Energiekolonialismus lehnen wir ab.

Olaf Scholz versprach vor wenigen Tagen, dass Deutschland 170 Millionen Euro für einen neuen Schutzschirm zur Unterstützung der am schwersten von klimawandelbedingten Schäden und Verlusten betroffenen Ländern zur Verfügung stellen werde. Wie viel von diesem Geld in Versicherungen fließen wird, von deren Zustandekommen vor allem deutsche Konzerne profitieren, und wie viel in weitreichendere Lösungen, bleibt bisher unklar. Insgesamt wird Deutschland seine jährlichen Ausgaben für die internationale Klimafinanzierung bis 2025 auf sechs Milliarden Euro aufstocken. Das sind jedoch keine großen Neuigkeiten und bleibt weiterhin hinter den acht Milliarden jährlich zurück, zu denen Deutschland sich als Anteil einer gemeinsamen Zusage der Industrieländer von insgesamt 100 Milliarden jährlich ab 2020 auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 verpflichtete.

Nach jahrelangen Debatten über die Notwendigkeit eines gerechten Ausgleichs erscheint diese Summe angesichts der sich abzeichnenden Bedarfe – und auch angesichts von Deutschlands historischer Rolle bei der Emission von Treibhausgasen – lächerlich gering. Zum Vergleich: für das sog. „Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr“ wurden im Juni 100 Milliarden Euro bereitgestellt.

Die Industrienationen konnten ihren heutigen Wohlstand nur auf Kosten der extremen Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen in anderen Ländern und durch die unwiederbringliche Zerstörung ökologischer CO-Senken realisieren. Sie sind durch ihre Wirtschafts- und Lebensweise bis heute Hauptverursacher der Klimakrise. Deutschland muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden. Dazu gehören nicht nur massive Anstrengungen auf einem deutlich beschleunigten Weg zur eigenen Klimaneutralität, sondern auch die Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel an Klimareparationen für die Betroffenen.

Während die Ampel-Regierung mit dem völlig überdimensionierten Zubau von LNG-Infrastruktur auf Jahre und Jahrzehnte einen neuen Highway in die Heißzeit zementiert, wird die internationale Klimakonferenz zur Nebenbühne bilateraler Abkommen für die Erschließung und den Aufkauf fossiler Ressourcen aus Ländern des globalen Südens.

 

Kein Kuscheln mit der ägyptischen Diktatur

Die COP27 in Scharm el Scheich findet unter der Schirmherrschaft einer brutalen Militärdiktatur statt, die sich mit dieser Konferenz als ökologisch und fortschrittlich darzustellen versucht. Doch das Putschregime von el Sisi steht nicht für zukunftsfähige Lösungen, sondern für willkürliche Verhaftungen und Folter, für Todesstrafe und Mord. Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen werden in Ägypten systematisch verfolgt und zum Schweigen gebracht, selbst während der Konferenz sind viele internationale Gäste von extremer Überwachung betroffen.

Mehr als 60.000 politische Gefangene sitzen aktuell in den Gefängnissen ein. Das prominenteste Beispiel ist der sich dramatisch zuspitzende Hungerstreik des ägyptischen Aktivisten Alaa Abdel Fattah. Ob er die kommende Woche überleben wird, ist unklar. Die Kritik der Bundesregierung an all dem fällt schwach und viel zu leise aus, angesichts enger Beziehungen zur ägyptischen Regierung ist sie außerdem wenig glaubwürdig. Wirtschaftskooperationen und deutsche Rüstungsexporte in Milliardenhöhe stützen das Regime, das sich als stabiler Partner beim Aufbau neuer Energieversorgungswege, aber auch in der Abwehr afrikanischer Geflüchteter unentbehrlich zu machen versucht.

Als Bundesarbeitsgemeinschaft Klimagerechtigkeit erklären wir uns solidarisch mit den Protesten gegen die ägyptische Regierung. Wir schließen und der Forderung nach Freilassung aller politischen Gefangenen an. Der Druck auf der internationalen Bühne muss endlich deutlich erhöht werden.

#FreeAlaa! #FreeThemAll!

 

Klimaproteste nicht kriminalisieren!

Die Leugnung des Klimawandels hat viele Gesichter. In Deutschland hat sich aktuell eine Variante breit gemacht, die wissenschaftliche Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen des zu erwartenden Temperaturanstiegs ignoriert oder in ihrer Tragweite kleinredet. Wachstumsdogma, und ungebremste Ressourcenverbräuche zur Aufrechterhaltung des Status Quo verpulvern tagtäglich die Lebensperspektiven der schon jetzt unter der Klimakatastrophe leidenden und Zukunftschancen nachfolgender Generationen.

Während auch die Ampel-Regierung Klimaziele verfehlt, weiter Autobahnen gebaut, Flächen versiegelt und neuerdings sogar im Namen der Energiewende weitere Dörfer für Kohle abgebaggert werden, werden Klimaschutz-Aktivist:innen kriminalisiert. Die mediale Empörungswelle gegen Aktivisti der „letzten Generation“ wird aufgepeitsch von rechte Medien, Unionspolitiker:innen, aber auch von Innenministerin Faser, die gewaltfreien zivilen Ungehorsam von Klimaaktivist:innen in die Nähe von terroristischen Gruppen rücken. Rechte Hetze und Drohungen gegen Klimaschützer:innen wachsen beängstigend an. In Bayern werden verschärfte Polizeigesetze benutzt, um Menschen wochenlang einzusperren, weil sie den geordneten Ablauf stören könnten.

Es bleibt dabei: Klimaaktivismus ist kein Verbrechen!